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Offener Brief - Katja Mast antwortet Lukas Hornung: „Klimaschutz lebensnah umsetzen"

26.09.2019

Katja Mast antwortet Lukas Hornung

Katja Mast hat auf die Forderungen von Fridays for Future Pforzheim mit einem offenen Brief geantwortet. Sie bezieht darin Stellung zu den von Lukas Hornung angesprochenen Punkten. Er hatte Mast im Namen der Bewegung angeschrieben. 

„Ich habe mir 48 Stunden Zeit genommen, da ich Ihre Forderungen im Detail anschauen wollte. Und weil ich seit meinemEinzug in den Bundestag sehr eng mit jungen Menschen zusammenarbeite. Ich schätze Ihr politisches Engagement sehr und finde, dass es gewürdigt gehört", so Mast in Ihrem Brief, der am Donnerstag auf Ihrer Homepage veröffentlicht wurde. Mast führt aus, dass Sie sich bereits mehrfach persönlich mit Vertretern von Fridays for Future getroffen habe. Diesen Dialog setze sie sehr gerne fort, so Mast. Sie plädiert in ihrer Antwort dafür, den Klimawandel „lebensnah" zu gestalten. „Wahrscheinlich werden Sie mir jetzt entgegnen, dass das alles nicht reicht, nicht ambitioniert genug ist. Dazu zwei Antworten. Erstens: Meine Erfahrung zeigt mir, dass wir es nur schaffen werden, wenn wir sehr lebensnah handeln und die Menschen mitnehmen. Dabei bleibe ich. Und  ich finde zweitens, dass wir mehr über die Prozesse in der Politik aufklären müssen. Schwarz oder weiß geht nicht. Dazu ist Bundespolitik zu komplex", so die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.Mast zieht in ihrer Antwort auch eine Parallele zu ihrem eigenen Lebensweg.

„Das Klima zu schützen bedeutet für mich, Verhalten zu ändern – deshalb fahre ich sehr viel Bus und Bahn und habe fast immer einen Teebecher dabei, der sich wiederverwenden lässt. Ich bin Biologin und Geographin. Ich habe auf Madagaskar studiert und weiß sehr gut, was es heißt, wenn Ressourcen knapp oder ungerecht verteilt sind. Ich weiß als Sozialdemokratin aber auch, dass es unser Anspruch sein muss, dass wir soziale, ökologische und wirtschaftliche Fragen in Einklang bringen müssen. Denn nur so bekommen wir die notwendige Akzeptanz und die breite Unterstützung in der Gesellschaft. Ein Grund, warum ich – bei aller Sympathie für ökologische Fragen – in der SPD bin", schreibt Mast an die Klimaaktivisten. Mast stellt sich auch hinter die Forderung der SPD Pforzheim, einen Klimanotstand auszurufen. „Dass das ein Weg sein kann, hat Karlsruhe gezeigt", so Mast.

Der offene Brief im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Hornung,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Vielen Dank auch für die Einladung zum Gespräch. Gerne erinnere ich mich an unseren Austausch zu klimapolitischen Fragen am 22. Juli in meinem Pforzheimer Bürgerbüro, sowie an unser Gespräch im Vorfeld der letzten Fridays for Future Demonstration am 20. September. Ich bin mir sicher, dass Sie mit ihren überwiegend im kommunalen Bereich liegenden Forderungen bei Landrat Rosenau und beim Pforzheimer Oberbürgermeister Boch auf offene Ohren stoßen werden.

Sehr gerne setze ich unseren Dialog fort. Kommen Sie sehr gerne auf mein Büro für eine Terminvereinbarung zu. Da Sie Ihre Forderung mit einer breiten Öffentlichkeitsarbeit begleiten, habe ich mich entschieden, Ihnen öffentlich zu antworten. Ich habe mir 48 Stunden Zeit genommen, da ich Ihre Forderungen im Detail anschauen wollte. Und weil ich seit meinem Einzug in den Bundestag sehr eng mit jungen Menschen zusammen arbeite. Ich schätze Ihr politisches Engagement sehr und finde das gehört gewürdigt.

Auf einige Punkte will ich direkt eingehen.

Als Bundestagsabgeordnete stehen für mich die bundespolitischen Themen im Vordergrund. Hier hat die Bundesregierung letzte Woche ein umfangreiches Klimaschutzpaket verabschiedet. Für mich steht fest: Ohne den Einsatz der SPD und den Rückenwind von Fridays for Future und vieler engagierter Menschen würde es das Paket gar nicht geben. Daher möchte ich Ihnen und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern an dieser Stelle ausdrücklich für Ihren rastlosen Einsatz danken. Ihre Bewegung tut der Politik und dem Planeten sehr gut.

Wenn Sie sagen „raus aus der Kohle" kann ich nur zustimmen. Hierbei ist es wichtig, die Folgen im Auge zu behalten. Wir überlassen die vom Kohleausstieg wie auch der Antriebswendein der Automobilindustrie betroffenen Regionen nicht den freien Kräften des Marktes. Das ist weder meine persönliche Haltung als Sozialdemokratin, noch die meiner Partei. Deshalb wollen wir beim Strukturwandel neue Perspektiven parallel zu sich schließenden eröffnen. Deshalb wollen wir neue Infrastrukturen ausbauen, bevor Engpässe entstehen.

Die Arbeit der sogenannten Kohlekommission orientiert sich an diesen Prämissen. Sie hat einen Vorschlag entwickelt, wie wir parallel zum Atomausstieg auch aus der Kohle aussteigen können. Umweltverbände, Gewerkschaften, Industrie und gesellschaftliche Gruppen aus den betroffenen Regionen haben sich auf einen gangbaren Weg geeinigt. Mit dem Sofortprogramm für Braunkohleregionen haben wir bereits den ersten Schritt getan. Wir dürfen diesen Kompromiss nicht gefährden, sondern müssen noch in diesem Jahr das Kohleausstiegsgesetz zusammen mit dem Strukturstärkungsgesetz im Deutschen Bundestag beraten und beschließen. All‘ das würde es im Übrigen ohne eine Regierungsbeteiligung der SPD nicht geben. Und es ist einmalig, in welcher engen Abstimmung zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialen Belangen hier eine kluge und breit getragene Lösung gesucht wurde. 

Auch der von Ihnen angesprochene ÖPNV ist im Klimaschutzpaket stark bedacht worden. Denn Klimaschutz passiert in den meisten Fällen vor Ort – in den Städten und Gemeinden, dort, wo die Menschen leben, arbeiten, mobil sind. Dafür machen wir den ÖPNV attraktiver, in dem wir unsere SPD-Idee für ein 365 Euro-Ticket für Busse und Bahnen vorantreiben. Wir werden als Bund zehn weitere Städte durch Modellprojekte bei der Einführung unterstützen. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass neue Infrastruktur für Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse mit zusätzlichen Mitteln im Rahmen des Gemeinde- und Verkehrsgesetzes gebaut werden können.

Wir werden außerdem für mehr Verbindungen bei Bussen und Bahnen sorgen, in dem wir die Mittel für den Regionalverkehr in den nächsten Jahren kontinuierlich erhöhen und die Deutsche Bahn in den kommenden zehn Jahren zusätzlich mit 10 Milliarden Euro Eigenkapital unterstützen werden. Wir machen das Bahnfahren billiger, in dem wir die Mehrwertsteuer für Bahntickets absenken. Gleichzeitig beenden wir den unfairen Wettbewerb mit dem Luftverkehr und bekämpfen Dumpingpreise beim Fliegen. Das ist deshalb wichtig, weil wenn wir CO2 einen Preis geben, müssen wir parallel dafür sorgen, dass es auch für Menschen mit weniger Einkommen möglich ist, mobil zu sein. Dafür braucht es den notwendigen Infrastrukturaufbau, der deshalb im Klimaschutzpaket eine große Rolle einnimmt.

Damit die energetische Sanierung von Gebäuden weiter vorankommt, werden wir neben bestehenden Zuschussförderprogrammen den klimagerechten Umbau steuerlich fördern. Mit der neu konzipierten Bundesförderung für effiziente Gebäude werden die bestehenden investiven Förderprogramme im Gebäudebereich zu einem einzigen, umfassenden und modernisierten Förderangebot gebündelt und inhaltlich optimiert. Die Mittelausstattung des Programms wird erhöht. Gleichzeit stärken wir die energetische Stadtsanierung im Quartier. Dabei werden wir auch umweltfreundliche Mobilitätskonzepte, interkommunale Konzepte oder Maßnahmen der Wärmenetzplanung fördern. Das hilft vor Ort ganz konkret.

Bei dem von Ihnen geforderten Punkt der nahezu veganen Ernährung bin ich anderer Meinung. Ja, wir sollten den Fleischkonsum reduzieren. Ja, mehr vegetarisches Essen ist sinnvoll. Gerne auch mehr veganes Essen. Aber nahezu veganes Essen halte ich auch aus medizinischen Gründen, gerade bei kleinen Kindern, für falsch.

Was die Ausrufung eines Klimanotstandes anbelangt, hat sich die SPD in Pforzheim klar positioniert. Ich teile diese Einschätzung. Das dies ein Weg sein kann, hat Karlsruhe gezeigt.

Sehr geehrter Herr Hornung,

wahrscheinlich werden Sie mir jetzt entgegnen, dass das alles nicht reicht, nicht ambitioniert genug ist. Dazu zwei Antworten. Erstens: Meine Erfahrung zeigt mir, dass wir es nur schaffen werden, wenn wir sehr lebensnah handeln und die Menschen mitnehmen. Dabei bleibe ich. Und  ich finde zweitens, dass wir mehr über die Prozesse in der Politik aufklären müssen. Schwarz oder weiß geht nicht. Dazu ist Bundespolitik zu komplex.

Am Schluss noch ein persönliches Wort.

Das Klima zu schützen bedeutet für mich, Verhalten zu ändern – deshalb fahre ich sehr viel Bus und Bahn und habe fast immer einem Teebecher dabei, der sich wiederverwenden lässt. Ich bin Biologin und Geographin. Ich habe auf Madagaskar studiert und weiß sehr gut, was es heißt, wenn Ressourcen knapp oder ungerecht verteilt sind. Ich weiß als Sozialdemokratin aber auch, dass es unser Anspruch sein muss, dass wir soziale, ökologische und wirtschaftliche Fragen in Einklang bringen müssen. Denn nur so bekommen wir die notwendige Akzeptanz und die breite Unterstützung in der Gesellschaft. Ein Grund, warum ich – bei aller Sympathie für ökologische Fragen – in der SPD bin.

Ich freue mich auf den weitern Austausch mit Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Mast MdB
Bundestagsabgeordnete für die Menschen aus Pforzheim und dem Enzkreis und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.