Deutscher Bundestag
SPD

Offener Brief an alle fundamentalen Abbruchgegnerinnen und Abbruchgegner

25.09.2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns heute direkt an Sie. Seit Jahren organisieren und vor allem beteiligen sich einige von Ihnen an Protestaktionen. Von Beginn an getarnt als sogenannte Mahnwachen, die nicht nur Frauen massiv einschüchtern und stigmatisieren sollen, sondern sich auch an die Beschäftigten in Beratungsstellen wenden.

Wir befassen uns seit Jahren mit allen Auswirkungen dieser sogenannten Gehsteigbelästigungen und waren in zahlreichen Beratungsstellen vor Ort. Wir haben mit Frauen und Beschäftigten gesprochen und maßgeblich daran gearbeitet, dass das Schwangerschaftskonfliktgesetz geändert wird und diese Gehsteigbelästigungen bald hoffentlich der Vergangenheit angehören.

Warum jetzt aber ein offener Brief?

Wir rechnen damit, dass der beschlossene Gesetzentwurf am 27.9.2024 auf der Tagesordnung des Bundesrates stehen und ihn passieren wird und dann zeitnah nach Prüfung und Unterschrift des Bundespräsidenten in Kraft tritt.

Bedauerlicherweise haben Sie jetzt erneut für den 25.9.2024 (2 Tage vorher) weltweit und damit auch in Deutschland eine weitere Runde Ihrer sogenannten Mahnwachen angekündigt, die in der Regel 40 Tage dauern. 

Wohlwissend, dass davon auszugehen ist, dass es in Kürze gesetzliche Grundlagen geben wird, die sehr klar regeln, dass die Protestaktionen der Vergangenheit angehören werden. 

Um es klar zu sagen: Es gibt eine gesetzliche Beratungspflicht für Frauen im Schwangerschaftskonflikt und wir werden als Staat auch garantieren, dass diese ohne Stigmatisierung in Anspruch genommen werden kann. 
Übergeordnetes Ziel hierbei ist die Sicherstellung der Verwirklichung des gesetzlichen Schutzkonzepts, das die Schwangere als letztverantwortliche Entscheidungsträgerin respektiert und ihre Rechte wahrt.

Bevor jetzt bei Ihnen der Eindruck entsteht, Sie dürften Ihre Meinung nicht mehr frei äußern sei auch hier klar gesagt: Darum geht es nicht. Das ist selbstverständlich weiter möglich, egal an welchem Ort in Städten und Gemeinden. Was aber nicht mehr möglich sein wird ist, dass Sie direkt in Sichtnähe, teilweise unter den Fenstern und Türen von Beratungsstellen stehen, um Frauen und Beschäftigte zu belästigen und einzuschüchtern.

Die politische Auseinandersetzung ist erfolgt und ein von der AfD-benannter Sachverständiger (der Geschäftsführer) der maßgeblich für die Mahnwachen verantwortlichen Organisation, „40 Tage für das Leben“, hatte die Gelegenheit, am 13. Mai 2024 bei der Öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, Ihre Argumente in die Debatte einzubringen.

Es ist mit Mehrheit des Deutschen Bundestages anders entschieden.

Wir fordern Sie und Ihre Unterstützerinnen und Unterstützer hiermit auf, keinerlei als Mahnwachen oder Gebete, oder was auch immer getarnte belästigende Aktivitäten, in unmittelbarere Nähe von Beratungsstellen mehr durchzuführen. Lassen Sie die Frauen bei ihrem schweren Gang in die Beratungsstellen in Frieden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit machen. Hören Sie auf, mit verstörenden Bildern auf Gehsteigen direkt an den Beratungsstellen zu stehen und Menschen gezielt zu verunsichern. Beteiligen Sie sich nicht an der  Kampagne von „40 Tage für das Leben“. Schon viel zu viele Frauen mussten leider die sogenannten Mahnwachen ertragen und wir können es nur noch einmal wiederholen: Tragen Sie Ihren Teil dazu bei, dass diese stigmatisierenden Aktivitäten nicht mehr stattfinden. Es ist ein Gebot der Nächstenliebe, Menschen in schweren Konfliktsituationen nicht weiterem Druck auszusetzen, sondern sie zu unterstützen.


Mit freundlichen Grüßen

Katja Mast MdB

Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion

Josephine Ortleb MdB

Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion und zuständige Berichterstatterin

Leni Breymaier MdB

Familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

Sonja Eichwede MdB

Rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

Carmen Wegge MdB

Stv. rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und zuständige Berichterstatterin