Offener Brief: Wir gehen nicht zur Tagesordnung über! Das politische Erdbeben und seine Folgen
Liebe Mitbürgerin, lieber Mitbürger,
liebe Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union in Pforzheim und dem Enzkreis,
es ist völlig klar: Wir müssen irreguläre Migration weiter ordnen – auf der Grundlage des Grundgesetzes und natürlich europarechtskonform. Entsprechende Gesetzentwürfe haben die SPD und die Grünen ins Parlament eingebracht. Die Zahl der Abschiebungen Ausreisepflichtiger ist 2024 um mehr als 22 Prozent gestiegen, über 40.000 Asylbewerber wurden zurückgewiesen und die Asylanträge sind im Vergleich zum Vorjahr um 34 % gesunken. Wir haben in den letzten Jahren bereits sehr viel politisch auf den Weg gebracht und das setzen wir fort. Auf diesem Weg müssen wir weiter anständig handeln – gerade im Umgang mit menschlichen Schicksalen und Menschen auf der Flucht.
Es war immer Konsens, nach politischen Mehrheiten in der Mitte zu suchen
Dennoch ist auch klar: Wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen, nachdem aktiv eine Mehrheit mit der AfD von CDU und CSU herbeigeführt wurde. Wir sind entsetzt. Was sich am 29.1.2025 im Deutschen Bundestag abgespielt hat, war ein politisches Erdbeben. Ein Erdbeben, dessen Folgen uns noch sehr lange beschäftigen werden. Was gestern in Berlin stattgefunden hat, ist nicht weniger als ein Bruch mit allen Gepflogenheiten, die bislang in Deutschland galten. Es war immer Konsens, nach politischen Mehrheiten in der Mitte zu suchen und um Kompromisse zu ringen. Und es war immer klar, dass es keine Öffnung nach rechts mit der AfD gibt. Diesen Pfad, der seit Jahrzehnten galt, haben CDU und CSU und – einmal genannt – auch die FDP gestern verlassen. Niemals darf eine Partei das Zünglein an der Waage sein, die unser Land und seine Institutionen verachtet. Eine Partei, die in drei Bundesländern als gesichert extremistisch gilt und von den dortigen Landesämtern für Verfassungsschutz entsprechend geführt wird und in weiteren Bundesländern – darunter auch bei uns in Baden-Württemberg – als extremistischer Verdachtsfall eingestuft ist.
Friedrich Merz hat mehrfach zugesagt, dass es keine Mehrheit mit der AfD gibt. Er hat getreu dem Motto „Friss-oder-Stirb“ seine Anträge zur Abstimmung gestellt und damit billigend und kalkuliert in Kauf genommen, dass genau der politische Scherbenhaufen entsteht, vor dem wir jetzt alle stehen. Er hat Wortbruch begangen und ist völlig unglaubwürdig. Um es klar zu sagen: Das ist kein Kanzlerformat. Das ist das Gegenteil von integer und verlässlich.
Gunther Krichbaum unterstützt bedingungslos den Kurs von Friedrich Merz
Der jahrzehntelange Konsens wurde am Mittwoch durch Friedrich Merz und die Abgeordneten der CDU und CSU aufgekündigt, darunter auch Gunther Krichbaum – langjähriger CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der hiesigen CDU. Er unterstützt den Kurs von Friedrich Merz bedingungslos und hat dies auch durch sein Abstimmungsverhalten klar dokumentiert. Sein Wort, dass er die AfD stellen will, ist damit auch hier vor Ort nichts mehr wert. Das ist eine große Gefahr, haben wir doch sehr geschätzt, dass Gunther Krichbaum und auch viele CDU-Mitglieder in der Region klar Kante gegen die AfD gezeigt haben.
Wer die Bilder der lachenden AfD-Abgeordneten im Bundestag gesehen hat und ertragen musste, hat gesehen, welche Tür Friedrich Merz und Gunther Krichbaum aufgemacht haben. Am Tag, an dem nur wenige Stunden zuvor an den Holocaust erinnert wurde. Wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen. Und zwar völlig unabhängig davon, dass es weitere Schritte in der Migrationspolitik braucht.
CDU und CSU wussten, was sie getan haben
Uns überzeugen alle Erklärungsversuche der CDU und CSU nicht. Die Abgeordneten von CDU und CSU wussten, was sie getan haben. Wer garantiert eigentlich, dass der nächste Schritt nach der Wahl keine Koalition mit der AfD ist? Wann wird Friedrich Merz wieder wortbrüchig? Denn noch am 13.11.2024 hat Friedrich Merz im Bundestag genau diese Mehrheit mit der AfD ausgeschlossen. Das politische Erdbeben ist nicht vom Himmel gefallen. Es war geplant. Und deshalb wird die Bundestagswahl am 23.2. jetzt auch eine Entscheidung darüber, welchen Weg unser Land geht. Das haben Sie, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land in der Hand.
Liebe Mitbürgerin, lieber Mitbürger,
liebe Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union in Pforzheim und dem Enzkreis,
wir wenden uns sehr bewusst an Sie alle, weil dieses Vorgehen ein klares „Stopp-Signal“ braucht. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden wir der AfD – schon aus unserer Geschichte heraus – niemals die Hand reichen. Und das heißt auch, dass es mit uns keine Zufallsmehrheiten mit denjenigen gibt, die unserer Demokratie und ihre Werte verachten. Nicht im Plenarsaal des Deutschen Bundestages und auch nicht in Pforzheim und dem Enzkreis.
Die Anständigen müssen noch lauter werden
Bitte helfen Sie mit, dass es nicht zu weiteren politischen Erdbeben kommt und unser Land nicht weiter in Gefahr gerät. Viele – auch die Kirchen – haben bereits klar Stellung bezogen. Seit heute liegt auch eine sehr eindeutige Erklärung von Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel vor. Dafür sind wir sehr dankbar. Es wird Zeit, dass die Anständigen noch lauter werden.
Uns ist wichtig, dass Sie alle wissen, wie wir das sehen. Der 29.01.2025 hat unser Land bereits verändert. Lassen Sie mit uns nicht zu, dass weitere Schritte folgen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Katja Mast, Mitglied des Deutschen Bundestages Pforzheim und Enzkreis und Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion
Annkathrin Wulff, Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Pforzheim und Enzkreis
Michael Hofsäß, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Pforzheim und Enzkreis